Der personenzentrierte Ansatz und Traumasensibles Yoga (TSY) von Angela Dunemann und Dr. Daniela Tausch

Gemeinsamkeiten und Möglichkeiten der Verbindung

Ausgabe 2024/3 in der Fachzeitschrift der GwG „Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung“

Als wir (Daniela Tausch und Angela Dunemann) uns im letzten Jahr in einem TSY-Seminar kennengelernt haben war schnell klar, dass wir auf der gleichen Ebene „schwingen“. Beide begleiten wir seit Jahrzehnten Menschen, die von Trauma betroffen sind. Unsere Erfahrungen haben uns zu der Erkenntnis geführt, dass Traumabewältigung ohne die Einbeziehung des Körpers nicht funktioniert.

Während Daniela dem personenzentrierten Ansatz tief verbunden ist, begleitet Yoga Angela seit ihrem 20. Lebensjahr. In unseren Gesprächen wurde schnell deutlich, wie viel Verbindungen es zwischen diesen beiden „Ansätzen“ gibt. So entstand die Idee, auf dem diesjährigen Jahreskongress der GwG dazu ein Impulsseminar zu halten. Die Resonanz war ermutigend und lässt uns nun diesen Artikel schreiben und an weitere gemeinsame Projekte denken.

Als ich, Daniela Tausch an den Weiterbildungen im TSY teilnahm, dachte ich immer wieder mit Begeisterung: Ja, das ist doch der personenzentrierte Ansatz!!!

Im TSY geht es um das Wieder-Entdecken der Spürfähigkeit. Sich nicht zu spüren ist für viele traumatisierte Menschen wie ein Notfallprogramm, um mit dem Schmerz, dem Schrecken und dem Schock weiterleben zu können.

Schutz- und Abwehrreaktionen haben in der Vergangenheit das Überleben gesichert und somit eine im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtige Funktion übernommen. Zum Problem werden sie jedoch dann, wenn sie bis in die Gegenwart hineinwirken, der Körper sozusagen in der Vergangenheit festfriert.

In diesem Fall führen sie zu Reaktionen, die auch auf körperlicher Ebene stark spürbar und für die Betroffenen häufig sehr belastend sind – nicht zuletzt deshalb, weil sich die beschriebenen Vorgänge nicht kognitiv steuern lassen, sondern unwillkürlich ablaufen. Dies verstärkt das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit. Hinter derartigen Reaktionen stehen Mechanismen, die in den evolutionär ältesten Strukturen unseres Gehirns angelegt sind. Seit Urzeiten unterscheidet das Autonome Nervensystem im Erleben blitzschnell, ob es sich in einem bestimmten Moment um eine sichere, eine gefährliche oder eine lebensbedrohliche Situation handelt. Das löst unmittelbar Reaktionen aus. Diese reichen von tiefer Entspannung und dem Gefühl der Verbundenheit über Kampf- und Fluchtverhalten bis hin zu Dekompensation, Hilflosigkeit und Erstarrung. Verbunden damit sind physische Symptome wie Herzrasen, Druck im Kopf und Schweißausbrüche oder auch ein plötzliches Gefühl der Schwäche oder Lähmung. Wie aus dem Nichts tauchen zudem mächtige Emotionen auf, etwa Wut, Ärger, Ekel, Abscheu oder Verzweiflung.

Zu Beginn der TSY-Seminare litt ich, Daniela sehr an den Auswirkungen einer schweren Hirnblutung zwei Jahre zuvor. Ich hatte starke Schmerzen und dissoziierte immer wieder. Und vor allem: Mein Körper war mir fremd geworden. Durch die sanften Bewegungen konnte ich mich wieder mit meinem Körper verbinden. Es war mir möglich, wieder zu schlafen. Nach der ersten Yogastunde wachte ich am nächsten Morgen mit dem Satz und dem Gefühl auf: Ich bin in meinem Körper zu Hause! Wie konnte das so ganz ohne Anstrengung und etwas leisten zu müssen geschehen? Es war für mich ein Wunder, dass mein Körper mir wieder positive Signale gab. Gleichzeitig erinnerte es mich an den Personenzentrierten Ansatz. Die innere Haltung, nicht etwas Besonderes zu machen, sondern es geschehen zu lassen und dem Prozess zu vertrauen sind beiden Ansätzen gemeinsam. Allem was ist wird mit einer grundlegenden Akzeptanz begegnet. Es darf alles sein, welche Gefühle oder Empfindungen auch auftauchen.

Die drei zentralen Aspekte im TSY sind:  Achtsame Präsenz, ein schwingungsfähiges Autonomes Nervensystems und die Erfahrung von Mühelosigkeit. Die Verbindung zu sich selbst ist die Essenz im Yoga. In sicherer Begleitung wird dazu eingeladen, im Kontakt zu sein mit allem, was im momentanen Erleben präsent ist – Gefühle, Körperempfindungen, Gedanken, Verhaltensmuster. Im TSY verstehen wir die Präsenz als heilsame Basis für neue Erfahrungen, Integration- und Verarbeitungsprozesse und nicht zuletzt für die Entwicklung von Selbstwirksamkeit.

Der Umgang mit Trigger-Situationen ist dabei von elementarer Bedeutung. Dadurch können die Prozesse und Zustände des Autonomen Nervensystems besser unterschieden und im Körper gespürt werden. Die an die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden adaptierten Yoga- Atem- und Meditationsübungen sowie die begleitende Person öffnen einen Raum, diesen Kontakt herzustellen und ihn (z.B. in dem Spüren eines Schmerzes) zu halten. Über das Erfahren von Präsenz wird Sicherheit hergestellt und überschießende Reaktionen können reguliert und nachhaltig verändert werden.

Traumasensibles Yoga findet sowohl im Einzel- als auch im Gruppensetting statt und wirkt in die verschiedensten Institutionen hinein (z.B. Gefängnisse, Flüchtlingsunterkünfte, Heimerziehung, Senioreneinrichtungen, Schulen, Kliniken, Psychiatrien usw.)

Angela Dunemann

Angela Dunemann, Dipl. Sozialpädagogin, HP Psychotherapie, Yogalehrerin, Trauma-Yogatherapeutin (TSY), langjährige Tätigkeit im Albert-Schweitzer-Kinderdorf Wetzlar, Mitbegründerin der Gesellschaften Institut für Yoga und Gesundheit, Mandala in Wetzlar und TSY Traumasensibles Yoga – Dunemann, Weiser, Pfahl GbR, www.traumasensiblesyoga.de

Dr. Daniela Tausch

Daniela Tausch, Psychologische Psychotherapeutin, Mitbegründerin des Stuttgarter Hospiz-Dienstes von 1987-1997. Zahlreiche Publikationen zu Sterben und Tod. Danach in eigener Praxis tätig und als Psychoonkologin in der Universitätsklinik Würzburg. Seit 2021 Erwerbsminderungsrente.

 

 

Bücher :  Dunemann, Weiser Yoga in der Traumatherapie 2010, Dunemann, Weiser, Pfahl Traumasensibles Yoga 2017/2023, 4. vollständig überarbeitete Auflage sowie Traumasensibles Yoga – 34 Übungskarten Frühjahr 21 alle bei Klett-Cotta Leben lernen, Joachim Pfahl, Daniela Pickhardt „Der Kern des Yoga bin ich selbst“ Tredition GmbH

 

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